„Warum ist es so schwer?“ – Zwischen Sehnsucht und Stillstand
- Jürgen Justus
- 5. Mai
- 3 Min. Lesezeit
Impuls für Zellgruppen und Gemeinde in Deutschland
Manche Christen träumen davon, dass Evangelisation so läuft wie in Aufbruch-Erzählungen aus Übersee: Feuer, Zuwachs, Lebenswenden. Doch in vielen deutschen Gemeinden sieht der Pandemie-Alltag ganz anders aus: Es dauert Monate, manchmal Jahre, bis jemand auch nur zuverlässig zu einer Zellgruppe kommt. Man investiert Zeit, Herz, Einladungen und immer wieder Gespräche – und hat trotzdem das Gefühl, dass die Beziehung nicht so richtig „überspringt“. Oder man muss am Ende erkennen: Die Person hat gar kein echtes Interesse, den Weg mit Jesus zu gehen.
Diese Erfahrung ist weit verbreitet – und sie ist nicht das Zeichen eines persönlichen Fehlers!
Verborgene Hindernisse erkennen
In seiner final ausgerichteten Seelsorge spricht Manfred Engeli ungeschminkt von diesen langen, manchmal zähen Prozessen. Was macht sie im deutschsprachigen Kontext so besonders herausfordernd?
1. Tiefe Sehnsucht – verdeckte Schutzmechanismen
Menschen wünschen sich Verbindung, gleichzeitig sind viele vorsichtig und schmerz-erfahren. Gerade in Deutschland: Viele haben Angst vor Vereinnahmung, peinlichen (Glaubens-)Gesprächen oder neuen (christlichen) Erwartungen. Schnell geht „Beziehung“ in den Modus der Distanz – und auch Christen selbst fühlen sich damit oft alleine.
2. Beziehung vs. Beschleunigungslogik
Gemeinden und Zellgruppen wünschen sich Wachstum, Veränderung und geistlichen „Impact“. Aber Beziehungsaufbau braucht Zeit. Viel Zeit. Engeli betont: Beziehungen sind keine Projekte, die abgearbeitet werden können. Sie sind wie Pflanzen – sie wachsen langsam, sichtbar und unsichtbar.
3. Frust und Unsicherheit aushalten
Es gehört zur Wahrheit: Du investierst, öffnest Dein Herz, aber eine echte geistliche Beziehung entsteht vielleicht trotzdem nicht. Oder nicht so, wie Du „es Dir wünschen würdest“. Wichtig: Das ist kein Spiegel deines Glaubens oder deiner Qualitäten – sondern ein Teil des geheimnisvollen Weges Gottes mit jedem Menschen.
Beziehung: Mehr als Mittel zum Zweck
Gerade im Zellgruppenkontext lauert die Gefahr, dass Beziehungen unter dem stillen Druck stehen: Hauptsache, am Ende bekehrt sich jemand. Engeli schreibt dagegen: Beziehung ist nicht Mittel, sondern Teil des Zieles Gottes!
Beziehung ohne Agenda: Echte Freundschaft liebt, auch wenn keine „geistliche Pointe“ dabei herauskommt. Sie bleibt auch, wenn der andere niemals an einer Taufe interessiert sein sollte.
Den Menschen als Ganzes sehen: Gott liebt den Menschen, nicht erst seine „Entscheidung“.
Heilige Frustration zulassen – und gemeinsam aushalten
Es ist geistlich gesund, manchmal frustriert zu sein, wenn keiner nach „mehr“ fragt. Die Bibel verschweigt diese Spannung nicht: Paulus, Jesus – sie alle begegnen Zurückweisung und Desinteresse, sie spüren Ohnmacht.
Wirklichkeitsnäher wäre daher:
Die Langsamkeit und Ungewissheit als normal achten
Den Schmerz teilen – als Zellgruppe, als Leitung, vor Gott im Gebet
Frustration als Zeichen von Liebe und Sehnsucht verstehen
Was kann helfen? Praxistipps aus der Finalen Seelsorge
1. Prozesse feiern, nicht nur Ergebnisse
Statt nach Zahlen und „next steps“ zu fragen, markiere kleine Vertrauensgesten als Erfolg: Ein offenes Gespräch, ein Thema, das tiefer geht. Das sind Meilensteine! Ermutigt euch gegenseitig als Gruppe, diese Lichter festzuhalten.
2. Absichtslos werden
Trainiere Gesprächsformen, in denen du auch über Gott redest – aber ohne verborgene Agenda. Authentische Offenheit bedeutet: Ich höre zu, weil du wertvoll bist. Nicht, oder nicht nur, weil ich eine Gelegenheit suche, meinen Glauben zu platzieren.
3. Bleib in deiner Rolle – Mitarbeiter Gottes, nicht sein Zeitmanager
Engeli: „Die Veränderung des anderen ist Gottes Sache.“Das schützt vor Enttäuschung und Burnout. Wir säen, Gott schenkt Wachstum – manchmal im Verborgenen, manchmal an anderen Orten.
4. Räume für echte Begegnung schaffen – jenseits von Gemeindesprache
Viele fühlen sich in Kirchensprache fremd oder unsicher. Definiere „Zugehörigkeit“ für die Gruppe weit: Freude, Ehrlichkeit, das gemeinsame Ringen um Lebensthemen zählt genauso. Die Hürde „nur für Gläubige“ fällt, wenn Erfahrung von Annahme stärker ist als das Gefühl, erst spirituell liefern zu müssen.
5. Lasst Gott Agenda schreiben – Bleibt offen für seine Überraschungen
Manchmal bleibt ausgerechnet der „offene Kandidat“ fern, dafür öffnet sich überraschend jemand, den ihr gar nicht „auf dem Zettel“ hattet.
Zum Schluss: Geduld und Hoffnung – ein biblisches Duo
Die vielleicht tiefste Ermutigung: Jesus und die ersten Christen beharren auf Beziehung, auch wo erst einmal nichts zurückkommt.Erfolg in Gottes Reich sieht oft anders aus als auf Social Media.
„Geduld und Hoffnung sind engste Geschwister“, schreibt Engeli. Vielleicht braucht es diese Geschwister gerade in Deutschland besonders. Beziehung ist der Schlüssel – und manchmal zugleich die Tür, an der wir warten, weinen und hoffen.
Praktische Ideen für mutige Geduld im Zellgruppen-Alltag
Ladet Freunde ohne Ziel und Vorbehalt zu Tisch, Spiel oder Spaziergang ein – auch Wochen ohne „geistliche Themen“ zählen!
Haltet regelmäßig inne und fragt als Gruppe: Wo wachsen unsymmetrische, geheime Freundschaften?
Sprecht offen (auch über Frustration) im Team – das entlastet und stärkt gegen Resignation.
Betet gemeinsam: „Herr, lass unsere Beziehungen Orte deiner Zugewandtheit werden – auch wenn wir nicht alle Wege überblicken.“
Inspiriert von Manfred Engeli, Gottes Angebote – Final ausgerichtete Seelsorge.
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