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Brücken bauen: Der Schlüssel zur Beziehung mit Nichtchristen

Ein Artikel basierend auf dem Buch "The Unchurched Next Door" von Thom S. Rainer


Die vergessenen Nachbarn nebenan

Wie oft haben wir uns schon gefragt: "Wie können wir Nichtchristen erreichen?" Diese Frage beschäftigt viele Gemeinden und Gläubige. Die Antwort könnte einfacher sein, als wir denken. Thom S. Rainer hat in seiner umfangreichen Studie "The Unchurched Next Door" eine überraschende Entdeckung gemacht: Der größte Teil der Nichtchristen (etwa 95%) ist nicht feindselig gegenüber dem christlichen Glauben – sie warten oft nur darauf, eingeladen zu werden.


Ohne Beziehung kein Interesse für das Evangelium. Diese Einsicht zieht sich als roter Faden durch Rainers Forschung. Wir ernten heute tatsächlich, was wir über Jahre gesät haben – oder eben nicht gesät haben: menschliche Verbindungen, Vertrauen und echtes Interesse am Leben unserer Mitmenschen.


Die Rainer-Skala: Verschiedene Menschen, verschiedene Ansätze


Nicht alle Nichtchristen sind gleich. Rainer hat eine Skala entwickelt (U1 bis U5), die die unterschiedlichen Grade der Empfänglichkeit für das Evangelium beschreibt:


  • U1: Hochgradig empfänglich, sucht aktiv nach spirituellen Antworten

  • U2: Empfänglich, religiös interessiert, aber noch unentschlossen

  • U3: Neutral, weder suchend noch ablehnend

  • U4: Resistent, aber nicht unbedingt feindselig

  • U5: Aktiv ablehnend und oft feindselig


Diese Einteilung hilft uns zu verstehen, dass verschiedene Menschen unterschiedliche Ansätze benötigen. Während eine direkte Einladung bei einem U1 oder U2 meist willkommen ist, braucht es bei einem U4 oder U5 viel mehr Geduld und Beziehungsaufbau.


Die überraschenden Hindernisse – auf unserer Seite

Interessanterweise liegt das größte Hindernis für die Evangelisation oft nicht bei den Nichtchristen, sondern bei uns Christen selbst. Rainer identifiziert mehrere Barrieren, die wir überwinden müssen:


  • Furcht vor Ablehnung: Wir fürchten uns vor dem "Nein"

  • Geistliche Trägheit: Unser eigenes Glaubensleben ist nicht lebendig genug

  • Beschäftigtsein: Wir sind zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt

  • Theologische Verwirrung: Unsicherheit über die Exklusivität des Evangeliums

  • Suche nach gesellschaftlicher Akzeptanz: Angst, als intolerant zu gelten


Diese Hindernisse führen dazu, dass viele Nichtchristen jahrzehntelang leben, ohne je eine persönliche Einladung zum Glauben oder in die Gemeinde zu erhalten – ein erschreckender Gedanke!


Praktische Lösungsansätze aus Rainers Forschung


1. Die Macht der einfachen Einladung

Die überraschendste Erkenntnis aus Rainers Studie: Die einfache Einladung ist das wirksamste Werkzeug. Rund 82% der befragten Nichtchristen gaben an, dass sie "zumindest wahrscheinlich" eine Einladung zum Gottesdienst annehmen würden, wenn sie von einem Freund oder Familienmitglied käme.


Mark M., einer der Interviewten, besuchte nach 36 Jahren zum ersten Mal einen Gottesdienst – einfach weil sein Freund Chad ihn einlud. Das Erstaunliche: In all diesen Jahren hatte ihn nie jemand eingeladen!


Wichtig: Eine wirksame Einladung beinhaltet meist auch das Angebot, die Person zu begleiten. Viele Nichtchristen fühlen sich unwohl bei dem Gedanken, allein eine fremde Kirche zu betreten.


2. Echte Beziehungen aufbauen

Nichtchristen können oberflächliche Evangelisationsversuche schnell durchschauen. Was sie ansprechen, sind echte, authentische Beziehungen. Rainer bezeichnet oberflächliche Ansätze als "drive-by evangelism" – wie ein Vorbeifahren ohne echtes Interesse am Gegenüber.


Stattdessen sollten wir:

  • Echtes Interesse am Leben der Menschen zeigen

  • Gute Zuhörer werden

  • Über Alltagsthemen ins Gespräch kommen

  • Natürlich über unseren Glauben sprechen, wenn es passend ist

  • Für konkrete Anliegen beten anbieten


3. In Krisenzeiten präsent sein

In Zeiten persönlicher oder gesellschaftlicher Krisen sind Menschen oft offener für geistliche Fragen. Nach dem 11. September 2001 verzeichneten viele Kirchen in den USA einen deutlichen Besucherzuwachs. Ähnliches kann in persönlichen Krisenzeiten geschehen. Wer in solchen Momenten mit echter Anteilnahme und Hilfsbereitschaft präsent ist, kann Türen öffnen.


4. Besondere Anlässe nutzen

Weihnachten, Ostern und andere besondere Anlässe sind nach wie vor Zeiten, zu denen viele Nichtchristen offener für Kirchenbesuche sind. Eine persönliche Einladung zu einem Weihnachtsgottesdienst oder einem besonderen Event kann Wunder wirken.


5. Bibel- und Glaubenskurse anbieten

Viele der Befragten, besonders in den Kategorien U1 bis U3, äußerten Interesse an der Bibel und wären bereit, an einem Bibelstudium teilzunehmen – wenn sie eingeladen würden. Kurse wie Alpha oder andere niederschwellige Angebote können hier eine Brücke bauen.


Langfristige Beziehungen pflegen

Besonders bei Menschen in den Kategorien U4 und U5 ist Geduld gefragt. Der Weg zum Glauben kann Jahre oder sogar Jahrzehnte dauern. Hier gilt es, langfristige Freundschaften zu pflegen, ohne ständigen Bekehrungsdruck auszuüben. Die beständige, liebevolle Präsenz eines Christen kann mehr bewirken als tausend Worte.


Fazit: Säen und Ernten

Eine Gemeinschaft, die über Jahre hinweg keine echten Beziehungen zu Außenstehenden aufgebaut hat, wird kaum Menschen für Christus gewinnen. Doch es ist nie zu spät, damit anzufangen.


Die gute Nachricht aus Rainers Forschung: Menschen sind offener, als wir denken. Die meisten warten nur darauf, persönlich eingeladen zu werden. Beginnen wir heute damit, Brücken zu bauen, echte Beziehungen zu pflegen und den Menschen neben uns – unseren Nachbarn, Kollegen, Freunden – die Hand zu reichen. Die Ernte könnte reicher sein, als wir uns vorstellen können.

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